Menü
Mit dem sehr aktuellen, aber nicht immer einfachen Thema "Herausforderung Flüchtlingshilfe" beschäftigte sich eine öffentliche Diskussionsrunde der Schweinfurter Grünen im Rahmen der Frau-enwoche. Gleich zu Beginn formulierte Simone Tolle (Grüne MdL 2003-2013) im Namen aller Teilnehmenden den Wunsch, an diesem Abend nicht nur zu jammern, sondern auch positive Aspekte der bereits geleisteten Arbeit aufzugreifen.
An diesem Wunsch anknüpfend, berichtet Sorya Lippert, 1. Bürgermeisterin der Stadt Schweinfurt über die hiesige Situation: Man sei mit dem "gern-daheim" Projekt schon vielen Kommunen einen Schritt voraus; so ist das Angebot an Sprachkursen in der Stadt deutlich besser als in den meisten umliegenden Landkreisen, gleichwohl gebe es auch in der Stadt noch Handlungsbedarf.Die in London geborene und in Pakistan aufgewachsene CSU-Politikerin machte darauf aufmerksam, dass Integration Zeit bedürfe; aus eigener Erfahrung berichtete die gelernte Gymnasiallehrerin, dass selbst Aupairs trotz guter Vorbereitung und des freiwilligen Entschlusses nach Deutschland zukommen, nicht auf Anhieb immer mit allen Eigenheiten der hiesigen Kultur zurecht kämen, ungleich größere Probleme hätten Leute, die zwangsweise ihr Heimat verlassen müssten.
Gudrun Greger vom Mehrgenerationenhaus Haßfurt betonte, dass die Integration von Flüchtlingen der Hilfe vieler Freiwilliger bedürfe, machte aber zugleich deutlich, dass diese Hilfe, um effektiv wirken zu können, meist die Unterstützung und Koordination von professioneller Seite her benötige.Dies bestätigte auch Ingeborg Weigand vom Sozialdienst katholisch Frauen. Die für ihr Engagement mit dem „Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland“ ausgezeichnete Flüchtlingshelferin koordiniert in Zusammenarbeit mit 2 Hauptamtlichen ein Team von über 70 Freiwilligen, welches die Flüchtlinge an der „breiten Wiese“ in Schweinfurt unterstützt. Weigand machte vor allem auf überlastete und zum Teil inkompetente MitarbeiterInnen in den Ausländerbehörden aufmerksam; Flüchtlinge würden dort grundsätzlich geduzt. Ohne fachkundige Begleitung hätten sie zudem kaum Chancen, zu ihrem Recht zu kommen.
Simone Tolle kritisierte in diesem Zusammenhang, dass es viel zu wenig DolmetscherInnenstellen gebe und Neuankömmlinge ihre DolmetscherInnen selbst finanzieren müssten; auch die Formulare, die die Flüchtlinge kurz nach ihrer Ankunft auszufüllen hätten, seien nicht in allen Behörden übersetzt vorhanden.
Kiyya S. und Naiam Jafari ergänzten die Berichte der FlüchtlingsbegleiterInnen, um die Sicht der Betroffenen.
S. ist vor 2 ½ Jahren aus Eritrea nach Deutschland geflohen und nach verschiedenen Stationen in Aufnahmelagern nun im 800 Seelen Örtchen Gähnheim bei Arnstein (Main-Spessart) gelandet. Dank der Unterstützung von Simone Tolle, die er liebevoll „Mama“ nennt, konnte der 24-Jährige ein Informatikstudium an der Würzburger Uni aufnehmen. S.würde nebenbei gern arbeiten, findet aber, da er kein Auto fahren darf und somit auf den spärlichen ÖPNV in Gähnheim angewiesen ist, keinen Job.Angesichts seiner Biographie betonte Tolle, dass die Flüchtlinge „nicht auf der Brennsuppen daher geschwommen kämen“; viele von ihnen hätten dem Abitur gleichwertige Bildungsabschlüsse oder gar ein Studium.
Ayfer Fuchs erinnerte daran, dass man auch einen Vertreter der Handwerkskammer eingeladen habe, der leider kurzfristig absagen musste; dennoch werden auch dort die Geflüchteten zunehmend als Chance gesehen, könnten doch durch die Integration von Flüchtlingen viele motivierte Azubis und Fachkräfte gewonnen werden.
Ein weiteres Beispiel für die Leistungs- und Leidensfähigkeit der Flüchtlinge lieferte Naiam Jafari aus Afghanistan; Der Vater dreier Kinder kam 2009 mit seiner Familie nach Deutschland. Jafari fährt täglich mit dem Fahrrad von Schweinfurt zu seinem Arbeitsplatz im Wernecker McDonalds. Nachdem seine Familie 15 Jahre ohne Aufenthaltsgenehmigung und Krankenversicherung im Iran leben musste, schätzt Jafari die gut organisierte Behördenlandschaft Deutschlands sehr; er bedauert jedoch, dass er, trotz Arbeit und sehr guter Deutschkenntnisse noch lange auf seine Anerkennung warten müsse.
Auch die ZuhörerInnen im Auditorium sahen in den langwierigen Asylverfahren und den hohen Hürden bei der Jobsuche eines der Hauptprobleme.
Ein Syrer berichtete, dass er trotz, unzähliger Einsätze als Dolmetscher, keinerlei Chancen habe, eine festen Anstellung in der Ausländerbehörde zu bekommen, obwohl dort dringend arabisch kundige Leute gebraucht würden.Nach über 2 stündiger, intensiver Diskussion mit vielen bewegenden Berichten wurde deutlich, dass es in der Region Schweinfurt sehr viele engagierte FlüchtlingshelferInnen gibt und dass auch der Ehrgeiz der Flüchtlinge, sich schnellst möglichst zu integrieren, sehr hoch ist.
Ärgerlicherweise bestünden noch weiterhin viele bürokratische Barrieren seitens der Gesetzgebung; viele PolitikerInnen auf Landes-, Bundes-, und Europaebene würden, die Chancen und Herausforderungen die Flüchtlinge darstellen, komplett ignorieren. Besonders scharf kritisierte in diesem Zusammenhang Simone Tolle die EU „Man macht die Grenzen dicht und lässt Bootsflüchtlinge im Mittelmeer verrecken“.
So konnte auch der Vorsatz „nicht jammern zu wollen“ nicht die ganze Zeit über eingehalten werden. Dennoch blieb am Ende des Abends das positive Fazit, dass vor Ort in der Region vieles bereits sehr gut laufe und dass alle Beteiligten sehr motiviert seien, den Geflüchteten in Deutschland die Chance auf ein neues, friedlicheres Leben zu geben.