Nicht Gnade, sondern Recht bekommen - Rückblick auf den Frühschoppen zur Affäre Mollath

Kopfschütteln, Entsetzen, Ratlosigkeit und große Dankbarkeit prägten die Reaktionen im Publikum beim Frühschoppen zur Affäre Mollath. Mehr als 150 Menschen hatten am glühend heißen Samstag, 27. Juli 2013, den Weg in den Biergarten der Brauereigaststätte Martin Ulrich in Hausen gefunden, um Martin Runge, den Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Bayerischen Landtag, und den ehemaligen Spitzenbeamten im Finanzministerium Wilhelm Schlötterer zu hören.

Martin Runge sprach von "krachenden Rechtsfehlern" bei der Erstellung von Gutachten und den Gerichtsprozessen.  Er erläuterte, dass Gustl Mollath unter anderem wegen seiner angeblichen Wahnvorstellungen in Bezug auf die Steuerhinterziehungsaktivitäten der Hypo-Vereinsbank in die Psychatrie eingewiesen wurde, seine Anschuldigungen gegen die Bank aber von der Staatsanwaltschaft ignoriert wurden mit der Begründung, Mollath sei in der Psychatrie untergebracht und seine Anschuldigen seien daher nicht ernst zu nehmen. Runge bezeichnete dies als  "einen fatalen Zirkelschluss, bei dem Gustl Mollath keine Chance hatte".  

Er stellte fest, dass es Aufgabe der Staatsanwaltschaft gewesen wäre,  den Anschuldigungen Mollaths nachzugehen. Inzwischen sei aber bewiesen, dass die Vorwürfe Mollaths nicht aus der Luft gegriffen sind, und die Aussagen der Justizministerin Beate Merk dazu seien fadenscheinig und nicht nachvollziehbar, erläuterte Wilhelm Schlötterer. Deswegen, ergänzte Runge, brauche Mollath nicht Gnade, sondern sein Recht auf einen fairen Prozeß. Und auch die Steuerfahndung  müsse deutlich aufgestockt werden, damit solchen Anzeigen wie von Mollath gegen die Hypo-Vereinsbank zeitnah strafrechtlich überprüft werden können, forderte der Grünen-Fraktionschef. Bayern bildet das Schlusslicht unter den Bundesländern, was die Zahl der Steuerprüfer angeht", so Runge, "an der Aufklärung von Steuerhinterziehung besteht von Seiten der Staatsregierung kein Interesse".

Die Schonunger Bundestagskandidatin Gudrun Lux moderierte die Veranstaltung und wies schon zu Beginn darauf hin, dass Wilhelm Schlötterer nicht etwa ein Parteigänger der Grünen, sondern seit vielen Jahren Mitglied der CSU sei. Schlötterer, der sich seit Jahren gegen den schwarzen Filz in Bayern engagiert, rief am Ende der Veranstaltung allerdings dezidiert dazu auf, im September keinesfalls seine Partei zu wählen.

Lesen Sie hier einen dokumentarischen Aufsatz zum Fall Mollath von Martin Runge.

Hintergrund:

Seit nunmehr gut sieben Jahren ist der Nürnberger Gustl Mollath zwangsweise in psychiatrischen Krankenhäusern untergebracht. Angeklagt wegen Körperverletzung und Sachbeschädigung, wurde er wegen verminderter Schuldfähigkeit zwar freigesprochen, ihm wurde jedoch krankhafter Wahn und Gemeingefährlichkeit attestiert. Ganz im Gegensatz zum rigiden Vorgehen gegen Gustl Mollath stand der Ermittlungseifer von Staatsanwaltschaft und Steuerfahndung, was Anzeigen von Herrn Mollath zu anonymisierten Kapitaltransfers in die Schweiz durch Mitarbeiter der HypoVereinsbank, von Mollath als Schwarzgeld-Verschiebungen und Steuerhinterziehung gesehen, anbelangt. Den Anzeigen und den zusätzlichen einschlägigen Informationen wurde schlicht und ergreifend nicht weiter nachgegangen.

Seit Herbst 2011 mehren sich, angestoßen durch Berichterstattung in den Medien, die Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Vorgehens der Ermittlungsbehörden wie auch der Gerichte gegen Gustl Mollath. Auch bezüglich der "Gutachten", die für die Einweisung in die Psychiatrie und für die Fortdauer der zwangsweisen Unterbringung ursächlich waren, tauchen verstärkt Fragezeichen auf. Und nicht zuletzt ist der fehlende Ermittlungseifer von Staatsanwaltschaft und Finanzbehörden im Zusammenhang mit Mollaths Anzeigen zu hinterfragen.

Mittlerweile liegen zwei Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens gegen Gustl Mollath vor, in denen zum Ausdruck kommt, dass es in dem entscheidenden Gerichtsurteil gegen Gustl Mollath zu jeder Menge an Schieflagen, aber auch zu gravierenden Rechtsfehlern gekommen ist.

Die Bayerische Staatsregierung, hier zuallererst Bayerns Justizministerin Beate Merk, hat bis zuletzt das Vorgehen von Staatsanwaltschaft, Finanzbehörden, Gerichten und "Gutachtern" in der "Causa Mollath" für korrekt erklärt. Assistiert wurde und wird Frau Merk hierbei von Spitzenbeamten aus der Justiz und der Finanzverwaltung. Bei nicht wenigen Beobachtern der einschlägigen Debatten, Auseinandersetzungen und Presseverlautbarungen macht sich der Eindruck breit, dass hier vernebelt, getrickst und getäuscht, ja gelogen wird.

In der Veranstaltung skizzieren und kommentieren Wilhelm Schlötterer und Martin Runge die Geschehnisse in der "Causa Mollath". Anschließend werden mögliche beziehungsweise notwendige Schritte in der Justiz und in der Politik diskutiert. Besprochen werden sollen auch etwaige strukturelle Defizite bei der Bekämpfung von Schwarzgelddelikten und Steuerbetrug sowie Defizite im Maßregelvollzug und auf dem Weg dorthin.