Haushaltsrede 2016

Sehr geehrter Herr Landrat, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Kreistags,


meine Fraktion hat mich beauftragt heute hier die Haushaltsrede vorzutragen. Damit alle Fraktionsmitglieder aktiv in die Kreistagsarbeit eingebunden werden, wird die Haushaltsrede in jedem Jahr von einem anderen Fraktionsmitglied vorgetragen.


Der Landkreis Schweinfurt profitierte in den vergangenen Jahren von der allgemeinen guten Wirtschaftslage in Deutschland. Die Umlagekraft steigt um 7,1 Prozent. Die Verschuldung pro Einwohner konnte vor allem in den Jahren seit 2012 deutlich reduziert werden, alleine im Jahr 2015 um 2,8 Mio Euro. Für die Jahre 2016 bis 2019 ist eine weitere Tilgung um ca 12,4 Mio Euro vorgesehen, trotz der erheblichen Herausforderungen für die Sanierung oder Neubau von Schulen.
Gestatten Sie mir einige Anmerkungen zu den wichtigsten Themenbereichen im Haushalt 2016.
Bündnis 90 / Die Grünen im Kreistag Schweinfurt Thomas Vizl Seite - 2 - 31. März 2016 1. Flüchtlinge (auch Conn-Barracks); Fremdenfeindlichkeit / Rassismus; Thema „Rechtsradikalismus“ Das vergangene Jahr war geprägt durch den großen Zustrom von Flüchtlingen aus den Kriegsgebieten Syrien, Afghanistan und Nordafrika. Viele Menschen bei uns sind über die Größe des Flüchtlingszustroms überrascht. Dabei ist das nur die logische Folge einer unzulänglichen jahrzehntelangen Politik, die die Fluchtursachen nicht in den Mittelpunkt einer vorsorgenden Politik stellte. Ich möchte hier nur einige Stichworte anführen: - Folgen des Kolonialismus, - ungezügelter Kapitalismus, - Zerstörung der Selbstversorgung durch subventionierte Agrarexporte aus Europa, - Lieferung von Waffen an Diktatoren und Extremisten, - Zerstörung der Lebensgrundlagen durch Öl- und Rohstoffgewinnung, - Folgen des Klimawandels usw usw. Welche Alternativen bleiben den Menschen? Da unsere Regierungen nicht einmal eine Minimalversorgung der Flüchtlinge in den Nachbarländern der Krisenländer sichern konnten, blieb ihnen nur die lebensgefährliche Flucht über das Mittelmeer oder die Türkei in das vermeintlich sichere Europa! Trotz der großen Zahl von Flüchtlingen die den Landkreis Schweinfurt erreichte, kann nicht von einer Überforderungen gesprochen werden. Das Jahr 2015 war eine Herausforderung, aber keine Überforderung für unseren Landkreis. Es ergeben sich durch den Zuzug junger leistungswilliger Menschen neue Chancen! Rückblickend stellen wir fest, daß der Landkreis und seine Kommunen diese Herausforderung angenommen und bisher bestanden haben. Hierfür gilt unser Dank den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung, den beteiligten Organisationen. Aber vor allem den vielen, vielen motivierten ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern!
Bündnis 90 / Die Grünen im Kreistag Schweinfurt Thomas Vizl Seite - 3 - 31. März 2016 Persönlich bin ich sehr positiv überrascht, wie breit und intensiv die ehrenamtliche Hilfe für die Flüchtlinge geht. Liebe Kolleginnen und Kollegen: wir können stolz auf das tatkräftige Anpacken unserer Bevölkerung sein und sollten mutig und nicht ängstlich die weiteren Herausforderungen gemeinsam angehen! Die vorübergehende oder dauerhafte Integration der hier angekommenen Menschen ist die größte Herausforderung der kommenden Jahre für unseren Landkreis. Schwerpunkte sind • das Erlernen der deutschen Sprache durch die Flüchtlinge, • die Aufnahme der Flüchtlingskinder und Jugendlichen in die Schulen und Berufsschulen, • die Bereitstellung von ausreichenden und bezahlbarem Wohnraum sowohl für Flüchtlinge aber auch für Einheimische, • die Schaffung von neuen Ausbildungs- und Arbeitsplätzen und • die Integration der Menschen in das gesellschaftliche Leben, in Sportvereine, religiöse Organisationen, Parteien usw. Ich bin sicher, der Landkreis Schweinfurt wird seiner Verantwortung gerecht werden. Deshalb halten wir die Mittel für die Aufstockung des Personal wie vom Landrat im Haushaltsentwurf vorgeschlagen für wichtig und richtig! Es war ebenso richtig, die Conn-Barracks zunächst für die Aufnahme von Flüchtlingen zu nutzen. Allerdings dürfen Flüchtlinge dort immer nur vorübergehend untergebracht werden. Sonst würde sich die ehemalige Kasernenanlage zu einem Ghetto entwickeln in dem die Ziele einer Integration nicht erreicht werden können. Vor allem unseren aktiven Bürgerinnen und Bürgern ist es zu verdanken, daß der Versuch der Partei „Die Rechte“ in Stammheim eine Parteizentrale zu etablieren gescheitert ist. Viele – auch aus dem Kreistag und Landratsamt – haben der Initiative „Stammheim ist bunt“ geholfen diese Keimzelle rechten und rassistischen Gedankenguts aus unserem Landkreis fern zu halten. Klares Signal: Diese „eingeflogenen Ideologen“ brauchen wir hier nicht!
Bündnis 90 / Die Grünen im Kreistag Schweinfurt Thomas Vizl Seite - 4 - 31. März 2016 2. SuedLink / Erneuerbare / Energiewende im Landkreis / Energieagentur; AKWRückbau; Klimaschutz Wir Grüne haben seit 1982 eine Wende in der Energiepolitik gefordert. 1998 wurde die Energiewende begonnen und im Jahr 2015 konnte das Atomkraftwerk in Grafenrheinfeld abgeschaltet werden. Ein Meilenstein für unseren Landkreis! Wir halten den weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien für erforderlich. Daneben ist eine Optimierung der Energienetze erforderlich. Wir haben als Erste und Einzige hier im Kreistag die durchgehende Erdverkabelung der neuen Trasse gefordert. Wir werden uns auch weiterhin entsprechend dafür einsetzen. Große Sorgen bereitet uns das atomare Zwischenlager in Grafenrheinfeld. Da es in Deutschland noch für viele Jahrzehnte kein Endlager für Atommüll geben wird, bleibt bei Grafenrheinfeld ein großes Gefährdungspotential für unsere Bevölkerung. Wir fordern deshalb eindringlich von der Bundes- und Staatsregierung die Sicherheitsstandards gegen Gefahren des Terrorismus, gegen Flugzeugabstürze usw deutlich zu erhöhen. Wir fordern hier vom Landkreis, aber auch von den Gemeinden eine deutliche Positionierung, keine verwaschenen Stellungnahmen gegenüber der Staatsregierung! Die bis 2015 bestehende Energieagentur des Landkreises hat die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllt. Wir wollen die Aufgaben der Energieagentur - das sind Beratung der Bevölkerung, vor allem der Bauwilligen, ermitteln von Energiepotentialen der Erneuerbaren Energien im Landkreis und das Anstoßen von Initiativen und Projekten zur Energiewende im Landkreis – auf neue Strukturen übertragen. Thema der Energieagentur werden auch die Folgen des Klimawandels sein, die den Landkreis Schweinfurt überproportional betreffen. Denkbar wäre zum Beispiel eine enge Zusammenarbeit mit einem Nachbarlandkreis oder mit einer überregionalen Energieagentur.
Bündnis 90 / Die Grünen im Kreistag Schweinfurt Thomas Vizl Seite - 5 - 31. März 2016
3. Konversion/Conn-Kaserne; Wirtschaftsregion Unsere Fraktion tritt für eine nachhaltige Entwicklung der Conn-Barracks zu einem interkommunalen Gewerbegebiet ein. Schließlich ist der Landkreis insgesamt gesehen wirtschaftlich schwach mit einer unterdurchschnittlichen Zahl an Arbeitsplätzen. Die Conn-Baracks bieten eine einmalige Chance für den Landkreis: - Nahe bei der Stadt Schweinfurt gelegen, - Gute Verkehrsanbindung über die Straße, aber auch eigener Gleisanschluß, - Keine zusätzliche Versiegelung von Ackerflächen erforderlich. Wir wollen, daß alle Gemeinden im Landkreis direkt oder indirekt profitieren. Die Planungen sind rasch und umfassend voranzutreiben. Dabei setzen wir auf eine engere Zusammenarbeit mit der Stadt Schweinfurt. Parallelstrukturen sind teuer und ineffizient. Unsere Fraktion kann sich beispielsweise auch eine gemeinsame KFZ-Zulassungsstelle der Stadt und des Landkreises vorstellen, indem sowohl die Fahrzeuge der Stadt und des Landkreises zugelassen und verwaltet werden. Die Vorteile und die mögliche Kostenersparnis wären zu prüfen.
Bündnis 90 / Die Grünen im Kreistag Schweinfurt Thomas Vizl Seite - 6 - 31. März 2016 4. Geomed Sorgenkind des Landkreises ist auch weiterhin die Geomed-Klinik. Der Betrieb von Krankenhäusern in der Region stellt eine öffentliche Aufgabe der Daseinsvorsorge dar, die sich nicht allein nach ökonomischen Grundsätzen erfüllen lässt. Deshalb wäre der Verkauf an private Betreiber kein Ausweg. Erfahrungen in anderen Landkreisen zeigen, daß Private diese zentrale Aufgabe nur so lange erfüllen werden, wie sie damit auch einen Gewinn erwirtschaften können. Der Sicherstellungsauftrag verbleibt immer bei den Kommunen. Für uns gelten folgende Grundsätze: 1. Die Geomed-Klinik muss als Krankenhaus der Grundversorgung für die Bevölkerung erhalten werden. 2. Die Notfallversorgung, einschließlich Notarztstandort, rund um Uhr muß gewährleistet bleiben. 3. Der Landkreis darf die Entscheidungshoheit nicht aus der Hand geben. 4. Wir befürworten eine enge Kooperation mit anderen Kliniken der Region. Verwaltungsaufgaben können auch woanders erledigt werden. Die Zusammenarbeit im Verwaltungs- und im medizinischen Bereich soll Kosten senken. 5. Angesichts des zunehmenden Mangels an Haus- und Allgemeinärzten bekommt die Klinik eine zusätzliche Funktion. Ein Medizinisches Versorgungszentrum mit Arztpraxen an der Klinik wäre deshalb wichtig. Diese Arztpraxen können in Gemeinden ohne eigenen Arzt Filialpraxen eröffnen. 6. Die motivierten Ärzte und Mitarbeiter der Klinik sind in den Prozess der Veränderung einzubinden und sollen ihre Ideen und Vorschläge einbringen. Landrat Florian Töpper und die Mitarbeiter der Verwaltung engagieren sich seit dem Jahr 2013 intensiv für die Geomed-Klinik. So konnte das Betriebskostendefizit der Geomed-Klinik von über 2 Mio Euro in 2013 auf 1,6 Mio (2014) auf voraussichtlich 1,0 Mio Euro in 2016 reduziert werden. Hierfür sprechen wir unseren ausdrücklichen Dank an den Landrat und die verantwortlichen Mitarbeiter aus!
Bündnis 90 / Die Grünen im Kreistag Schweinfurt Thomas Vizl Seite - 7 - 31. März 2016 5. ÖPNV/Verkehrsverbund/Bahnverbindung SW-GEO-KT Unsere Fraktion begrüßt die Initiativen des Landrates für einen Beitritt zum Mainfränkischen Verkehrsverbund. Ziel ist ein attraktiver Verbund mit einfachen, übersichtlichen Tarifen und Strukturen. Jeder, auch kleinere Ort im Landkreis muß an das nächste Unter- oder Mittelzentrum angebunden werden, sonst werden junge und vor allem ältere Bürgerinnen und Bürger die Orte verlassen. Für die Randbereiche des Landkreises sind Übergangslösungen zu Nachbarverkehrsverbünde, z.B. den VGN, erforderlich. Einen wichtigen Beitrag kann nach unserer Ansicht der Schienenverkehr im Landkreis beitragen. Nach der Wiederöffnung der Haltestellen in Oberwerrn und Schonungen muß – je nach Entwicklung und zukünftige Entwicklung der Conn-Barracks – auch dort über eine mögliche Haltestelle nachgedacht werden. Nach unserer Überzeugung muß die Bahn zukünftig wieder einen höheren Beitrag für den Güterverkehr leisten. Die Kosten für den Ausbau und Unterhalt von Straßen sind zu hoch, die Kapazitäten nicht unendlich. Wir setzen uns aus diesen Grund für den Erhalt und die Reaktivierung der Bahnstrecke Schweinfurt-Gerolzhofen-Kitzingen und für die Werntal-Bahn ein. Diese Strecken können sowohl für den Güterverkehr als auch für Personenbeförderung wieder Bedeutung erlangen. Ein guter öffentlicher Nahverkehr, vor allem auf der Schiene, ist ein Standortvorteil für eine Region. Orte mit Bahnanbindung oder Stadtbusanbindung entwickeln sich deutlich besser.
Bündnis 90 / Die Grünen im Kreistag Schweinfurt Thomas Vizl Seite - 8 - 31. März 2016 6. Nationalpark Steigerwald Seit 2007 ist der Steigerwald – durch die Diskussion über das Für und Wider eines Nationalparks – in den Focus der Aufmerksamkeit gekommen. Wir begrüßen ausdrücklich die neu geschaffenen Einrichtungen: das Steigerwald-Zentrum in Handthal und den neuen Baumwipfelpfad bei Ebrach. Der Streit um einen Nationalpark hat den Steigerwald aus einem Dornröschen-Schlaf geweckt! Jetzt wäre es aber an der Zeit diesen Streit zu versachlichen und einen wirklichen Kompromiss zu suchen. Unsere Fraktion hält einen Kompromiss für möglich. Erforderlich sind zunächst umfassende Studien über die Situation in der etwas strukturschwachen Steigerwald-Region, die neben den Naturschutz- und forstlichen Aspekten auch die regionale und örtliche Entwicklung, Tourismus, Landwirtschaft und Arbeitsplätze beinhalten. Die Region Steigerwald mit den sechs beteiligten Landkreisen kann sich dann gemeinsam um den Titel „UNESCO-Weltnaturerbe“ bewerben. Die alten Buchenwälder im Raum Ebrach werden die Grundlage dieser Bewerbung werden. Dieser herausragende Titel wäre neben dem Wein- und Main-Tourismus ein weiter Eckpfeiler für die touristische Entwicklung im Landkreis Schweinfurt. Ich bitte alle Fraktionen des Hauses sich für einen Kompromiss einzusetzen, damit im Steigerwald wieder Frieden einkehrt! Bitte nehmen Sie die Menschen und ihr Anliegen ernst. Das sind keine „eingeflogenen Ideologen“, sondern Menschen aus dem Steigerwald, auch aus dem Landkreis Schweinfurt. Schließlich geht es allen, sowohl den Befürwortern eines Nationalparks im Bürgerverein „Nationalpark Steigerwald“ wie auch im AntiNationalparkverein „Unser Steigerwald“ um ihre, um unsere Heimat. Herr Eck: meine Kreistagskollegin Birgid Röder und ich bieten Ihnen an vermittelnd in diesem Streit tätig zu werden. Wir brauchen aber Ansprechpartner auf der anderen Seite, die ebenfalls einen ernsthaften Kompromiss gemeinsam mit uns suchen wollen.
Bündnis 90 / Die Grünen im Kreistag Schweinfurt Thomas Vizl Seite - 9 - 31. März 2016
7. Bürgerservice Liebe Kolleginnen und Kollegen, der bürgerfreundliche Umbau des Landratsamtes mit einem Bürgerservice-Bereich wird von uns unterstützt. Die hier eingesetzten Mittel sind vernünftig investiert. Die Bürgerinnen und Bürger sollen vom Haupteingang zu den Serviceplätzen geleitet werden. Deshalb ist zweiter Eingang, ein Nebeneingang vom Parkplatz, nicht zielführend.
Bündnis 90 / Die Grünen im Kreistag Schweinfurt Thomas Vizl Seite - 10 - 31. März 2016 8. Mehrheitsfraktion, Heckenlauer, Landrat Zum Schluß gestatten Sie mir bitte noch ein paar Worte zur Konstitution des Kreistages. Leider wurde die von Herrn Landrat Florian Töpper 2014 geplante und von unserer Fraktion unterstützte Neufassung der Geschäftsordnung, die eine stärkere Einbindung vieler Mitglieder dieses Hauses bewirkt hätte, nicht beschlossen. Eine Mehrheit aus CSU und FDP hat dies verhindert. Schade! In diesem Jahr sollten wir nochmals darüber nachdenken und eine Lösung finden, die viele Kreisrätinnen und Kreisräte stärker in die Arbeit einbindet. Ein weiterer ärgerlichen Punkt sind für unsere Fraktion die wiederkehrenden Angriffe gegen Landrat Florian Töpper. Die Öffentlichkeit könnte den Eindruck gewinnen, es geht manchmal nur darum dem Landrat seine Aufgaben zu erschweren. Landrat Florian Töpper versucht seit 2014 vorbildlich alle Fraktionen in die Arbeit einzubinden, die Fraktionen umfassend zu informieren und fraktionsübergreifende Lösungen zu finden. Herr Heckenlauer: ihre Fraktion hat gemeinsam mit den FDP-Kollegen eine Mehrheit im Kreistag und im Kreisausschuss. Das weiß der Landrat und das wissen auch wir. Sie müssen dies nicht immer wieder demonstrativ zeigen. Lassen Sie uns gemeinsam an Lösungen arbeiten: wir unterstützen gute Ideen ihrer Fraktion, Sie unterstützen richtige Vorschläge von anderen. So sollte es sein!
Sehr geehrte Damen und Herren, unsere Fraktion wird dem Haushaltsentwurf für das Jahr 2016 zustimmen! Herzlichen Dank an die Landkreisverwaltung mit Landrat Florian Töpper, Kreiskämmerer Wolfgang Schraut und allen Mitarbeitern, die an der Ausarbeitung des Haushaltsentwurfs beteiligt waren. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

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